„Er lächelt nur noch…“ (Geschichten vom Gelingen, Teil 1)

„Er lächelt nur noch…“ (Geschichten vom Gelingen, Teil 1)

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Wunder gibt es nicht frei Haus. Wunder muss man selber machen. Wie Jimmy und Sildona. Ein wenig Unterstützung haben sie gebraucht: Menschen, die sie wahr- und ernstgenommen haben, die ihnen Mut gemacht und Vertrauen geweckt haben. Ein Vertrauen, das die promovierte Mathematikerin und der Justizbeamte nicht enttäuscht haben. Im Gegenteil…

Doch von Anfang an: Sildona, Jimmy und ihr 15 Monate alter Sohn Aaron sind im Juli aus Albanien nach Deutschland gekommen. Aaron ist durch eine seltene Krankheit schwer behindert und hatte in der Heimat der Familie keine Chance auf eine adäquate Behandlung. In Freiburg wurde der Familie ein Arzt empfohlen, über Heidelberg, Mannheim und Karlsruhe landete die kleine Familie Ende August in Freiburg. Seither leben die drei in einem Elf-Quadratmeter-Raum im Containerwohnheim Dietenbach. Die Wände sind dünn, der Platz extrem begrenzt. Aaron ist in der Neuropädiatrie der Uniklinik Freiburg in bester Behandlung, mehrmals wöchentlich muss er zur Physiotherapie, mehrmals täglich muss mit ihm geübt werden. Auch gewaschen werden sollte das Baby regelmäßig. Schier unmöglich in einem Raum, dessen Inneneinrichtung aus zwei Betten, einem Kinderbett und einem Schrank besteht. Wie gut, dass es Menschen gibt, die schnell und pragmatisch helfen. Bernhard Setzer und das Ehepaar Jamie und Ronny Schnabel sind solche Menschen. Schon vorm Einzug der neuen MitbürgerInnen im Dietenbach-Park hatten sie sich gemeinsam mit anderen Menschen aus Weingarten und Rieselfeld zur Initiative DIEFI zusammengeschlossen. Sildona, Jimmy und Aaron waren kaum eingezogen, schon stand eine Babybadewanne vor ihrer Tür. Ein eigens konstruiertes Gestell ermöglicht es den Eltern, die Übungen mit ihrem Baby zu machen.

Man kam sich schnell näher und bald zeigte Jimmy dem Ehepaar Fotos aus der Heimat auf seinem Smartphone. Auf einem dieser Fotos war er mit einer Urkunde zu sehen, die ihn als „besten Schiedsrichter Albaniens“ auswies, auf einem anderen lachte er mit dem deutschen Fußballer Hans-Peter Briegel in die Kamera. Das veranlasste Jamie sich auf die Suche nach dem Ballkünstler zu machen. Bald war dieser ausfindig gemacht, ein Mailaustausch folgte und der Ex-Fußballer bot an, dass der Albaner  bei einem Freund eine Anstellung in dessen Betrieb bekommen könne.

Leider zu weit entfernt… Doch aus dem folgenden Kontakt zum Südbadischen Schiedsrichter-Verband und dem Kontakt mit Anton Dixa ergaben sich schnell  ungeahnte Möglichkeiten: Heute ist Jimmy nicht nur stolzer Besitzer eines vorläufigen Schiedrichter-Ausweises, sondern bekommt auch die Mitgliedschaft beim SC Freiburg. „Stolz wie ein Schneekönig“ sei er gewesen, als ihm dies von der Öffentlichkeitsarbeit des SC bestätigt wurde, sagt Jamie Schnabel.

Drei Monate später ist aus dem Flüchtling ein taten- und wissensdurstiger Mitbürger geworden, dessen Ehrgeiz kaum zu bremsen ist. Jimmys Tag beginnt um 7 Uhr mit einem Lauf im Dietenbachpark, danach hält er das Gelände sauber, von 13 bis 18 Uhr lernt er intensiv Deutsch in einem Freiburger Institut, ab 19 Uhr trainiert er  in einem Fitness-Studio.  Wenn alles gutgeht – und davon ist auszugehen -, dann nimmt Jimmy im Januar 2016 an einem Seminar des südbadischen Schiedsrichterverbandes teil, legt dort den Cooper-Test ab, der Voraussetzung für eine Schiedsrichter-Karriere in Deutschland ist, und bekommt bei dieser Veranstaltung auch seinen kompletten Schiedrichter-Dress. „Er lächelt nur noch…“, strahlt Sildona.

Und sie? Momentan verwaltet die junge Mutter den Alltag, engagiert sich im Gartenprojekt, bereitet mit der Frauengruppe gemeinsame Aktionen vor, putzt Büro und Aufenthaltsräume, kümmert sich um Aaron und sieht sich als Assistentin ihres Mannes, den sie nicht nur moralisch unterstützt: Eine Sportlerdiät mit Müsli, Milch, Obst und Nüssen hat die beiden in kürzester Zeit zu fitten Erwachsenen gemacht. Ihre eigene Karriere ist nur kurzfristig ausgesetzt: Sildona wird im September 2016 an einem Seminar der Uni Münster teilnehmen, das sie zu einer Lehrtätigkeit in Deutschland berechtigen wird. Eine Arbeitserlaubnis hat sie schon. Aber das ist dann eine neue „Geschichte vom Gelingen“, die erzählt werden will…

Sildona und Jimmy werden Botschafter des Gelingens sein für andere Menschen, die auch den festen Willen haben, sich schnell in unsere Gesellschaft zu integrieren. Wie das geht? Ganz einfach, sagt Sildona in ihrer gut verständlichen Mischung aus Englisch und Deutsch: mit „best friends“ wie Jamie und Ronny. „Better integration – better life“ ist ihre Devise. Wo sie sich und ihre Familie in fünf Jahren sieht? „Wir werden alles möglich machen, um part of the German culture zu sein. Deutschland hilft uns so viel, dafür wollen wir uns bedanken“, antwortet Sildona. Und – an Jamie gewandt: „Ihr macht die Türen auf und wir gehen hindurch.“ Jamie erwidert: „Ihr seid ein Geschenk für uns.“

Gehört und aufgeschrieben von Sigrid Hofmaier am 8. Dezember 2015,
fotografisch begleitet von Petra Günnewig

In unregelmäßiger Folge werden wir hier  „Geschichten vom Gelingen“ erzählen, die uns bei unserer Arbeit für die Dietenbach-Flüchtlings-Initiative DIEFI begegnen. An dieser Stelle bereits jetzt herzlichen Dank an alle, die es möglich machen, dass solche Geschichten nicht im Umfeld des Wohnheims bleiben, sondern weitererzählt werden und andere „infizieren“. Wer immer von einer solchen Geschichte hört, kann sich gerne an pr@diefi.org wenden. Wir  nehmen dann Kontakt auf und vereinbaren einen Erzähltermin.

 

 

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